Es geht auch ohne Kerosin

Am Himmel ist immer etwas los, im Sommer 2016 war alles kaum merklich anders. Und doch war da ein Exot unter seinesgleichen – gleichermassen beargwöhnt und mit Bewunderung betrachtet: Solar Impulse 2.

27 000 Flugzeuge rauschen täglich über Europa hinweg und verdampfen Unmengen an Energie – eine einzige Boeing 747 rund zehn Tonnen Kerosin in der Stunde. Dass es auch anders geht, zeigen die beiden Schweizer Flugpioniere Bertrand Piccard und André Borschberg, die im Juli 2016 dort ankamen, wo sie im März 2015 gestartet sind: Abu Dhabi. Dorthin musste allerdings, in Einzelteile zerlegt, das mit 17 000 Solarzellen bestückte Fluggerät Solar Impulse 2 Anfang 2015 aus der Schweiz erst mal ganz konventionell hingeflogen werden. Zum Equipment gehören auch drei weisse Elektrovelos, auf denen Techniker bei Start und Landung radeln und sich an Haltegriffe hängen mussten, um die gewaltigen Tragflächen der Solar Impulse 2 – grösser als bei Jumbos – zu stabilisieren.

Mit einem Budget um die 100 Millionen Franken und mehr als 80 Technikern in 500 Tagen um die Welt? Das hat aber George Francis Train mit Eisenbahn und Segelschiff schneller hinbekommen, als er bereits 1870 in 80 Tagen die Erde umrundete, monieren Kritiker. Und wenn schon von Geschwindigkeit die Rede ist: Im Linienflugzeug ist eine Erdumrundung heute in 60 Stunden möglich, die Internationale Raumstation braucht eineinhalb.

Dass im Verlauf der 550 Flugstunden, aufgeteilt in 17 Etappen, «die Batterie» nach der Überhitzung zwischen Japan und Hawaii nicht repariert, sondern komplett ersetzt werden musste, verstärkte eine von Anbeginn latent vorhandene mediale Mecker- und Nörgelattitüde, die einen Teil des momentanen «Zeitgeistes» widerspiegelt: zu teuer, zu unrealistisch, unbrauchbar, Egotrip zweier Hightech-Abenteurer usw. Abgesehen davon, dass es sich bei «der Batterie» um vier grosse Li-Ion-Pakete à ca. 160 Kilogramm handelt, ging es beim Projekt Solar Impulse 2 überhaupt nie um die Zukunft von solarer Aeronautik, sondern ausschliesslich darum, mit einem Ausnahmeprojekt den Themenkreis alternativer Energiegewinnung medienwirksam in Szene zu setzen. Nicht zuletzt deshalb die schönen Bilder von der Golden Gate Bridge, der Freiheitsstatue und den Pyramiden – die Flugroute war entsprechend werbewirksam gewählt.

Die langen Verzögerungen ändern nichts an der Gesamtbilanz des Unterfangens, das prima vista mit folgenden Erkenntnissen in die Geschichte eingehen wird:

  • Es ist möglich, die Erde in einem Spezialflugzeug zu umrunden ohne dabei einen einzigen Tropfen Kerosin zu verbrennen.
  • Speziell trainierte Piloten sind in der Lage, bis zu fünf schlaflose Tage und Nächte lang in einer engen Kabine ohne Druckausgleich und Heizung den Steuerknüppel zu bedienen.
  • Mit Innovation und Abenteurertum hat das viel zu tun, mit der Zukunft des Luftverkehrs erst mal wenig. Andrerseits: Wer hätte denn zu Zeiten des Wählscheiben-Telefons gedacht, dass dereinst ein handgrosses Gerätchen wischen kann, das nicht nur Sprachkonnektivität sicherstellt, sondern auch Computer-Funktionalitäten in sich vereinigt, als transportables Medienabspielgerät dient, als Foto- und Videokamera taugt und auch noch die Fähigkeiten eines GPS-Navigationsgeräts mitbringt.