Die Powerfrau
Zur Person
Name: Linda De Ventura
Funktion: Schaffhauser Kantonsrätin, Sozialarbeiterin
Partei: SP
Wohnort: Schaffhausen
Alter: 37 Jahre
Website: linda-deventura.ch
Mit viel Energie setzt sich Linda De Ventura für soziale Gerechtigkeit ein. In ihrem Beruf als Sozialarbeiterin sieht die Schaffhauser Kantonsrätin auch die Schattenseiten der Schweiz. Sie wünscht sich daher beim Klimaschutz Lösungen, die allen Menschen gerecht werden.
Was bedeutet für Sie «Energie»?
Linda De Ventura: Ich denke, Energie ist für mich besonders im übertragenen Sinn wichtig. Ich möchte Energie für das haben, was mir persönlich etwas bedeutet. Leider ist dies jedoch nicht für alle Menschen eine Selbstverständlichkeit. Das habe ich in meinem Beruf als Sozialarbeiterin immer wieder feststellen müssen. Viel zu viele Menschen in der Schweiz, einem der wohlhabendsten Länder der Welt, verbrauchen ihre gesamte Energie, um einem prekären Job nachzugehen, damit sie ihre Miete, Rechnungen und Krankenkassenprämien bezahlen können. Gleichzeitig schwimmt ein kleiner Teil der Schweizerinnen und Schweizer gewissermassen im Geld. Dieses Ungleichgewicht gibt mir wiederum die Energie für meine politische Arbeit.
Hat das Thema Energie in den vergangenen Monaten an Bedeutung für Sie gewonnen?
Neben der übertragenen Bedeutung von Energie liegt mir auch die Frage der Energieversorgung seit langem am Herzen. Ich möchte, dass der Klimakatastrophe entschlossen und mit sozial gerecht ausgestalteten Massnahmen entgegengewirkt wird. Gerade in unserem Kanton wurde aus meiner Sicht lange jeglicher Fortschritt von Vertretenden bürgerlicher Politik blockiert. Seit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine und der damit verbundenen Versorgungsunsicherheit sind nun national und kantonal endlich Fortschritte im Energiebereich möglich, die noch vor drei Jahren keine Mehrheit fanden. Weil wir viel aufzuholen haben, beschäftigt sich der Kantonsrat zurzeit mit diversen Energiethemen.
Sie sind engagierte Politikerin und gleichzeitig Mutter noch relativ kleiner Kinder. Ist dies eine Herausforderung – oder ist dies generell die falsche Frage, da die Kinder ja auch einen Vater haben?
Ich stelle in der Tat fest, dass diese Frage Männern praktisch nie gestellt wird. Das ist ein Teil des Problems und zeigt deutlich, dass die Erwartungen an Väter und Mütter nach wie vor unglaublich unterschiedlich sind. Zumal Politik und Berufsleben zu vereinbaren nicht nur für Menschen mit Kindern eine Herausforderung ist, sondern für alle. Man muss sich politisches Engagement zeitlich und finanziell leisten können. Zum Beispiel muss man sich für den Kantonsrat jeden zweiten Montagmorgen beruflich freinehmen und unter der Woche Spezialkommissionssitzungen einrichten können. Es kommt nicht von ungefähr, dass bei uns im Kantonsrat hauptsächlich Rentnerinnen und Rentner, Selbständige, Studierende, Exekutivpolitikerinnen und -politiker sowie Personen aus der Landwirtschaft und Staatsangestellte politisieren. Unser System schliesst aktuell zu viele Menschen von der parlamentarischen Arbeit aus: Menschen, die ihre Arbeitszeiten nicht selbst bestimmen können, die unregelmässige Arbeitszeiten haben, oder solche, deren Arbeitgebende die parlamentarische Arbeit nicht unterstützen. Ein Parlament sollte die Bevölkerung abbilden, – was es heute aber nicht tut. Das ist aus demokratischer Sicht problematisch.
Wie gehen Sie privat mit Energie um?
Ich persönlich ernähre mich möglichst regional, esse seit über 30 Jahren kein Fleisch, besitze kein Auto und versuche, das Fliegen zu vermeiden. Denn ich bin der Meinung, dass jede und jeder von uns einen kleinen Teil dazu beitragen kann, dass die Nachfrage nach energieintensiven Produkten sinkt.
Gleichzeitig finde ich es erstaunlich, dass man den Menschen sagt, dass vor allem sie für die Klimakatastrophe und damit für das Energiesparen zuständig sind. Dabei sollte die Gesetzgebung verbindliche Regeln erlassen, damit es zu einer drastischen Reduktion der Emissionen kommt und wir die Energiewende schaffen. Stattdessen fliessen über den Finanzplatz Schweiz Milliarden in Aktivitäten, die den Klimazielen entgegenlaufen. Dort liegt der grosse Hebel der Schweiz: Wir müssen es schaffen, dass unser Finanzplatz sauber und die Schweiz frei von fossilen Brennstoffen wird. Entscheidend für die Zukunft ist vor allem die Politik und nicht der persönliche Verzicht der Menschen.
Woher nehmen Sie persönlich Ihre Energie, um Ihre vielen Aufgaben zu bewältigen?
Es ist nicht so, dass ich nur Energie verbrauche, um meine Aufgaben zu bewältigen: Das politische Engagement, meine Arbeit als Sozialarbeiterin, meine Familie und die Arbeit in Vorständen geben mir enorm viel zurück. Es gibt mir Energie, dass ich nicht die Faust im Sack machen muss, wenn mich etwas stört, sondern dass ich mich auf verschiedenen Ebenen für ein gerechteres Schaffhausen und eine bessere Welt einsetzen kann. Ausserdem erhalte ich für mein Engagement enorm viel Unterstützung aus meinem Umfeld – sei es von meiner Familie, meinen Freunden, politischen Weggefährten und den Arbeitskolleginnen. Das gibt mir Rückenwind und lädt meine Batterie immer wieder von neuem auf.