Lebensader Rhein

Sarah Bänziger blickt mit dem Fernglas auf den Altrhein
Sarah Bänziger hält nach Vögeln Ausschau. (Grosses Bild: Patrick Stoll;  Kleine Bilder: iStock / TKphotography64, Jaap2, neil bowman, Wirestock; Adrian Stadelmann)

Die Flusslandschaft des Rheins mit seinen Altläufen und angrenzenden Weihern bildet ein reichhaltiges Ökosystem und beheimatet zahlreiche Tier- und Pflanzenarten. Für deren Schutz engagiert sich unter anderem der Regionale Naturpark Schaffhausen. Der grenzüberschreitende Naturpark wurde nach einer mehrjährigen Aufbauphase 2018 offiziell gegründet. Er umfasst Schaffhauser Gemeinden sowie zwei Gemeinden aus dem Bundesland Baden-Württemberg auf einer Fläche von 213 km². Der Regionale Naturpark Schaffhausen zählt zu einem Netzwerk von Schweizer Pärken, deren Aufgabe es ist, wertvolle Natur- und Kulturlandschaften zu bewahren.

«Wir schützen und pflegen diese Gebiete, schaffen Trittsteine und beraten beziehungsweise sensibilisieren die Bevölkerung an Messen, bei Arbeitseinsätzen mit Firmen oder in Einzelberatungen», erklärt Sarah Bänziger, Leiterin Natur & Landschaft beim Regionalen Naturpark Schaffhausen.

Paradies für Tiere und Pflanzen

Verschiedene Abschnitte entlang des Rheins sind in der Region Schaffhausen nach wie vor mit Betonplatten hart verbaut, doch gibt es auch zahlreiche naturnahe Bereiche, wie beispielsweise das renaturierte Rheinufer in Rüdlingen, wo Tiere wertvolle Rückzugsorte finden.

Von besonderer Bedeutung für Flora und Fauna sind die Altläufe des Rheins und die Mündungen von Flüssen wie der Töss und der Thur. «Die Flussmündungen schaffen eine dynamische Umgebung mit unterschiedlich hohen Wasserständen», erläutert Bänziger. «Davon profitieren zum Beispiel Pflanzen wie Weiden, Erlen oder Pappeln, die darauf ausgelegt sind, eine Zeitlang im Wasser zu stehen. Ohne die Überschwemmungsphasen können sie von anderen Pflanzen verdrängt werden.»

Helm-Azurjungfer

Helm-Azurjungfer

Sie lebt an fliessenden Gewässern und zählt europaweit zu den am meisten gefährdeten Libellenarten.

Waldwasserläufer

Waldwasserläufer

Dieser kurzbeinige Watvogel zählt zu den Limikolen (Schnepfenvögeln) und ist vom Klimawandel stark bedroht.

Eisvogel

Eisvogel

Der Schutz naturnaher Flüsse, Bäche und Seen ist essenziell für den Erhalt dieser prächtigen Vogelart.

Biber

Biber

Lange galt der Biber in der Schweiz als ausgestorben. Nach seiner Wiederansiedlung nimmt die Population stetig zu.

Ringelnatter

Ringelnatter

Ist eine der häufigsten Schlangenarten der Schweiz und lebt in und an stehenden Gewässern.

Laubfrosch

Laubfrosch

Der kleinste Frosch der Schweiz kann sich nur in einem Netz von Laichgewässern fortpflanzen.

Viele Tiere und Pflanzen nutzen auch die Altläufe des Rheins als Rückzugsorte. «Sie sind ungestörte ‹Inseln›, die weder für die Schifffahrt noch von Badegästen genutzt werden», so Bänziger. Ähnlich wie bei den Flussmündungen schwanken auch hier die Wasserstände. Verschiedene Vogelarten oder Amphibien sind auf diese Veränderungen angewiesen. «Beispielsweise nutzen Limikolen wie der Flussregenpfeifer bei Niedrigwasser die Kiesbänke entlang von Flussläufen zur Eiablage.» Die Steine dienten ihnen dabei zur Tarnung der Eier. «Bei einer Überschwemmung können sie zwar ihr vollständiges Gelege verlieren», gibt Bänziger zu verstehen, «bei einem tiefen Wasserstand überleben so jedoch nahezu alle Jungtiere.»

Auch die Weiher und Bäche gehören zur ökologischen Infrastruktur und bieten im vergleichsweise trockenen Kanton Schaffhausen Raum für (semi-)aquatische Tiere. So nutzen laut Bänziger neben Amphibien auch junge Biber, die von den erwachsenen Tieren weggeschickt wurden, die Weiher und Bäche, um sich ein eigenes Revier zu schaffen. «Je zahlreicher und vielseitiger die Gewässer sind, desto mehr Lebewesen fühlen sich darin wohl und finden ein geeignetes Habitat.»

EKS ON! Bild zum Bericht: Lebensader Rhein

Schutzmassnahmen für den Lebensraum

Um die Artenvielfalt zu schützen, führt der Naturpark in Zusammenarbeit mit Expertinnen und Experten Kartierungen durch. Dabei wird erfasst, welche Arten wo vorkommen. Die Ergebnisse dienen als Grundlage für Aufwertungsmassnahmen; darunter das Anbringen von Nahrungspflanzen oder Nisthilfen, die Pflege von Hecken oder das Auflichten von kleinen Waldabschnitten. Auch wenn es sich um scheinbar kleine Massnahmen handelt, tragen sie gesamthaft dazu bei, verschiedene Ökosysteme zu erhalten.

Bemühungen wie diese – wobei neben dem Regionalen Naturpark Schaffhausen zahlreiche andere Natur- und Tierschutzorganisationen involviert sind – zahlen sich aus. Neben verbreiteten Vogelarten wie Enten und Gänsesägern oder Reptilien wie der Ringelnatter und verschiedenen Libellen kommen am Rhein und seinen Nebenläufen auch bedrohte Arten wie der Eisvogel, die Helm-Azurjungfer oder der Laubfrosch vor. Selbst Süsswasserkrebse oder seltene Zugvögel sind vereinzelt am Fluss anzutreffen.

Herausforderung Klimawandel

Allerdings macht sich auch entlang des Rheins der Klimawandel mehr und mehr bemerkbar. «Die zunehmende Trockenheit und Hitze setzen dem Lebensraum zu», betont Bänziger. Gerade im Sommer führen die erhöhten Wassertemperaturen zu Sauerstoffmangel im Gewässer und können den Tieren zum Verhängnis werden. Durch die Wärme sammeln sich im Gewässer mehr Nährstoffe an. Dies führt dazu, dass einige Wasserpflanzen übermässig wachsen, wodurch andere Pflanzen verdrängt werden. Davon betroffen ist zum Beispiel die Armleuchteralge, von der sich neben Aalen oder Äschen auch zahlreiche Wasservögel wie die Kolbenente mehrheitlich ernähren. Verstärkt sich dieser Trend, ist das ökologische Gleichgewicht bedroht.

Inken De Wit