Mobilität: Ohne Strom blickt man in die Röhre
Spätestens seit dem 1. Juni 2016 ist der neue Gotthardtunnel in aller Munde. Ob all der rekordverdächtigen Zahlen gerät eines fast in Vergessenheit: ohne Strom kein Licht am Ende des Tunnels.
Lange bevor die erste Zugskomposition mit potenziell 250 km/h durch die neuen Röhren braust, waren am Gotthard enorme Energiemengen vonnöten. Man denke nur «Heidi», an eine einzige TBM (Tunnelbohrmaschine), die täglich elektrischen Strom im Wert von 10 000 Franken benötigte, was dem Verbrauch von 4 200 Einfamilienhäusern entspricht.
Zwar macht die erste Flachbahn durch die Alpen Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 250 km/h theoretisch möglich, ist energetisch betrachtet in der Praxis aber nicht ganz problemlos, zumal eine Zugskomposition eine Druckwelle von mehreren Tonnen vor sich herschiebt. Das hat nebst den Anforderungen an Tunnelwände und Sicherheitsstollen vor allem eine gravierende Folge: Züge, die durch einen längeren Tunnel fahren, benötigen enorm viel Energie. Der enorme Fahrwiderstand trägt wesentlich dazu bei, dass der Betrieb des Basistunnels täglich gleich viel Strom frisst wie die Stadt Luzern. Wie sich eine Fahrt durch den Gotthard anfühlt, erleben Sie im Video unten.
Energielieferant Ritom
In der Schweiz wird der Bahnstrom zum Teil aus fremden, zum Teil aus Kraftwerken der SBB gewonnen. Was den Gotthard betrifft, insbesondere aus dem Wasserkraftwerk Ritom oberhalb von Ambri-Piotta. Das 1917 erbaute Kraftwerk leitet das Wasser des Ritomsees durch einen 1 030 Meter langen Umleitungsstollen zum Wasserschloss und dort in die Druckleitungen. Damit wird der Höhenunterschied des Wildbachs Foss zwischen dem fast 50 Millionen Kubikmeter Wasser fassenden Ritomsee und dem Tessin genutzt. Um die Stromversorgung der Bahn sicherzustellen, erneuert die SBB zusammen mit der Azienda Elettrica Ticinese für 250 Millionen Franken dieses Werk. Dabei wird die heute oberirdisch geführte Druckleitung komplett in den Berg verlegt.