Solarstrom aus Fenstern und Wänden
5. April 2019 – Auf den ersten Blick sieht das neue Institutsgebäude des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) in Stuttgart aus wie ein normales, modernes Bürogebäude. Erst wer näher herantritt, bemerkt, dass dünne Leiterbahnen die mattschwarzen Alu-Paneele an der Fassade durchziehen: In die Aussenhaut integrierte Photovoltaik-Module liefern auf insgesamt 170 Quadratmetern Solarstrom. Forscher des ZSW haben die sogenannten CIGS-Module-Dünnschicht-Module auf Basis von Kupfer, Indium, Gallium und Selen – selbst entwickelt und testen sie nun, um zum Beispiel ihre Stromausbeute und Montagefreundlichkeit zu verbessern.
Energie aus Wänden
Photovoltaik (PV) ist inzwischen Standard auf vielen Neubau-Dächern – eine stromerzeugende Fassade wie am ZSW-Neubau dagegen etwas Besonderes. Die Idee, Solarmodule in die Gebäudehülle zu integrieren, nennt sich «gebäudeintegrierte Photovoltaik». Sie folgt einem naheliegenden Gedanken: Dächer und Fassaden belegen enorme Flächen im urbanen Raum, die ohnehin gestaltet und gepflegt werden müssen. Warum kann man sie dann nicht auch als Energielieferanten nutzen?
«Bislang wird ein erheblicher Teil der zur Stromproduktion nutzbaren Flächen verschenkt», sagt Dieter Geyer, Projektleiter am ZSW. Rund drei Viertel der PV-Anlagen in Deutschland sind auf Dächern installiert, ein weiteres Viertel auf Freiflächen. In der Schweiz befinden sich fast zwei Drittel aller installierten Solaranlagen auf Dächern von Ein- und Mehrfamilienhäusern. Der Anteil gebäudeintegrierter Photovoltaik liegt dagegen im Promillebereich. «Dabei ist bei Gebäuden mit mehr als drei Geschossen oft mehr Platz an der Fassade als auf dem Dach», weiss Geyer. Das macht gebäudeintegrierte Photovoltaik besonders für grössere Gebäude in Städten interessant. Stromerzeugende Fassaden könnten das Problem lösen. Im Prinzip funktionieren sie wie herkömmliche PV-Anlagen: Sie wandeln Sonnenlicht in elektrische Energie um. Nur werden die Solarmodule nicht auf dem Dach montiert, sondern in die Gebäudehülle integriert. Auf diese Weise dämmt die Fassade nicht nur und schützt vor Sonne und Regen, sie produziert auch noch Strom. Ihre Module nutzen die tief stehende Sonne im Winter, aber auch morgens und abends, besser als Dachanlagen. Weiteres Plus: «Dank der vertikalen Ausrichtung bleibt der Schnee im Winter nicht auf den Modulen liegen und mindert den Ertrag», sagt Geyer.
Beton als Solarzelle
Eine andere Art, mit einer Hauswand Energie zu erzeugen, verfolgen Forscher der Universität Kassel: Sie verwandeln mehrlagigen Beton in ein Solarmodul. Zwar liegt der Wirkungsgrad des «Solarbetons» nur bei knapp zwei Prozent. Dafür liefert er auch bei diffusem Licht Strom und lässt sich im Prinzip auf jeder versiegelten Fläche einsetzen. Auch Fenster wollen Forscher zur Stromerzeugung einsetzen: mit unsichtbaren Solarzellen. Zur Herstellung transparenter Module verwenden Wissenschaftler aus Michigan in den USA organische Moleküle, die nur ultraviolettes und nah-infrarotes Licht absorbieren, das für uns unsichtbar ist. Und selbst für das Dach gibt es inzwischen eine Alternative zur klassischen Aufdachanlage: Solar-Dachziegel. Sie sehen aus wie herkömmliche Ziegel, bestehen jedoch aus gehärtetem Glas mit monokristallinen Solarzellen. Durchaus möglich also, dass eines Tages die komplette Gebäudehülle Energie produziert. Der Energiewende in den Städten würde es guttun.