Der Konsequente
Seit jeher setzt sich der Schaffhauser Unternehmer Giorgio Behr mit Energiethemen auseinander. Für die Zukunft wünscht er sich, dass die Schweiz die heimische Produktion aus Erneuerbaren aus- und Abhängigkeiten abbaut. Privat meidet er Menschen, die ihm seine persönliche Energie rauben.
«Energie heisst für mich» – was antworten Sie spontan?
Giorgio Behr: Energie ist für mich ein entscheidender Treiber für Wirtschaft und Gesellschaft.
Hat das Thema Energie in den vergangenen Monaten an Bedeutung für Sie gewonnen?
Nicht wirklich, da ich seit langem Energiefragen intensiv studiere und dazu auch gelegentlich publiziere. Aus meiner Sicht sollte die Schweiz ihre Abhängigkeit vom Ausland reduzieren. Das bedeutet, dass wir mehr elektrische Energie selbst produzieren müssen. Mittlerweile fangen auch die erdölexportierenden Länder an, grüne Energie zu produzieren. Wenn wir keine eigene Produktion aufbauen, liefern uns die OPEC-Länder sonst in Zukunft Wasserstoff anstelle von Öl – und wir sind weiterhin von jener Region abhängig.
Wie sieht es mit der Energieversorgung und Energiewende im Allgemeinen aus?
Was muss am Standort Schweiz passieren?
Wir bauen für die energieeffiziente Schweiz von 2050 zum Teil noch mit den Materialien von heute. Dabei sollen diese Gebäude bis 2080 oder länger stehen. Hier braucht es konsequent den Einsatz moderner Materialien. Zudem wäre bei manchem Bau abreissen langfristig die bessere Lösung als «isolieren um jeden Preis».
Mit dem Verbot des Neubaus von AKW der «alten Generation» habe ich kein Problem. Aber wir dürfen uns der Entwicklung neuer Technologien nicht verschliessen und müssen selbst aktiv forschen. Nur so kann Fortschritt entstehen. Das gilt auch für Technologien, mit denen die Problematik der langen Halbwertszeit der atomaren Abfälle sowie andere Risiken eliminiert werden können. Ebenso sollten wir Optionen des Recyclings von Brennstäben prüfen. Hier ist eine von Ideologie bestimmte Blindheit verwerflich.
Wie sieht es bei der Mobilität aus? Seit 2011 fährt wieder eine Dampfbahn von Stein am Rhein nach Singen – auch aufgrund Ihres Engagements in der Stiftung Museumsbahn. Müssen wir uns wieder auf alte Technologien zurückbesinnen oder wird die Zukunft elektrisch und autonom?
Nein – aber etwas Nostalgie darf schon sein. E-Mobilität und Wasserstoff beziehungsweise synthetische Brennstoffe sind für bestimmte Verkehrssegmente die Zukunft. Man sollte dies jedoch nicht erzwingen, wie das die EU tut. Eine ganzheitliche Betrachtung wäre hier angezeigt. Zudem darf man nicht vergessen, dass die Elektrifizierung von Mobilität und Heizungen in Kombination mit der flatterhaft anfallenden Energie aus Solar- und Windkraft das Netz enorm belastet. Der Netzausbau wird uns finanziell und planerisch enorm fordern. In Kombination mit E-Mobilität und immer besseren Angeboten auf dem Weg zum autonomen Fahren wird die Anzahl an Privatfahrten nicht unbedingt abnehmen. Folglich wird der Ausbau der Hauptachsen weiterhin eine grosse Herausforderung bleiben.
Wie gehen Sie privat mit Energie um?
Wir waren beim Bau unseres Hauses 1984 in Buchberg mit einem Grabenregister sowie einer Wärmepumpe im Kanton wohl bei den Ersten, die versucht haben, von fossiler Energie wegzukommen. Zudem haben wir für kurze Fahrten einen elektrischen BMW i3 und einen i4. Für lange Fahrten und Touren in die Berge nutzen wir gleichwohl einen, aus meiner Sicht zu Unrecht so stark kritisierten, «Diesler». Dessen Bilanz scheint aufgrund vieler Analysen am Ende doch gut auszusehen. Und zu meinem 75. Geburtstag haben wir eine ausgedehnte Italien-Reise ausschliesslich mit dem Zug realisiert.
Welche Werte haben Sie Ihren Söhnen im Umgang mit Energie vermittelt?
Drei unserer Söhne sind Ingenieure, einer hat zudem im Fach Umweltmanagement promoviert. Sie verstehen in der Sache also mehr als ich. Meiner Familientradition entsprechend haben wir in ihrer Kindheit und Jugendzeit jedes Jahr einige Wochen in einem von meinen Ahnen erbauten Maiensäss in Carasso, oberhalb Bellinzona, verbracht. Ohne elektrischen Strom, aber mit eigener Quelle. Mit dem Aufkommen von Handy und PC haben wir dort eine Solarzelle installiert und einen Nebenraum mit Steckdose ausgerüstet. Das ist noch heute so. Jetzt kommen schon die ersten Enkel mit dorthin.
Sie haben in Ihrem Leben viel bewegt und sind weiter sehr aktiv. Wie finden Sie die Energie dafür?
Da ich immer das gemacht habe, was mir auch Spass machte und wo ich etwas nachhaltig aufbauen konnte, hat der «Zahn der Zeit» nicht allzu stark an mir genagt. Die Familie hatte immer Priorität. Und auf einen kleinen Kreis von engen Freunden aus Sport und Wirtschaft konnte und kann ich mich verlassen. Was ich meide, sind «Energiefresser», Leute, die alles besser wissen, nur fordern und nie geben. Mit vernünftigem Essen und Trinken und einem massvollem Fitness-Programm ergibt sich eine Art energetische Balance.
Zur Person
Name: Prof. em. Dr. Giorgio Behr
Funktion:
Unternehmer, Gründer und Verwaltungsratspräsident der Behr Bircher Cellpack BBC Group, Präsident des Handballklubs Kadetten Schaffhausen
Wohnort: Buchberg SH
Alter: 75 Jahre
Familie: verheiratet mit Anne-Marie Behr-Deflandre seit 44 Jahren, 4 Söhne und 4 Enkelkinder