Quelle der Inspiration
Der Rhein ist Lebensraum, Wirtschaftsfaktor, Touristenattraktion – und auch eine Quelle der Inspiration für Kunstschaffende. Im Zentrum der Malerei des Schaffhauser Künstlers Erwin Gloor steht der Rheinfall. Er erzählt von seiner Leidenschaft für den berühmten Wasserfall.
Der Rhein und vor allem der Rheinfall ist sein Lebensthema: Seit über 50 Jahren hat Erwin Gloor die Urkraft des Wassers auf über 1 000 Skizzen und Bildern festgehalten. In Gelb und Blau stürzt sich bei Gloor das Wasser zwischen Felsen hinab ins Rheinfallbecken. Mit Pinselstrichen versucht er einzufangen, was eigentlich nicht zu malen ist. «Mich fasziniert die Bewegung», beschreibt Erwin Gloor seine Leidenschaft für den Rheinfall.
Weder die geschichtliche Bedeutung des Rheins für Schaffhausen noch der Rheinfall als herausragende touristische Attraktion interessieren den Künstler, der sich selbst Spasses halber «Mister Rheinfall» nennt. Obwohl ihm natürlich bewusst ist, dass der Aufstieg und Wohlstand der Stadt historisch auf den Handel auf dem Rhein zurückgehen. Doch auf seinen Bildern hat die Historie keinen Platz. «Es geht mir nicht darum, einen bekannten Ort abzubilden.» Auch die lebendige Tierwelt im Wasser und am Ufer sucht man auf seinen Bildern vergebens.
Unentwegte Bewegung
Für den 82-jährigen Schaffhauser Künstler geht es um die elementare Erfahrung des unentwegt bewegten Wassers. «Ich missbrauche Uferpartien auf meinen Bildern gewissermassen nur dazu, um durch den Kontrast zum statischen Land das Wasser noch schneller erscheinen zu lassen». Dabei richtet sich sein Blick immer nach oben den Felsen entgegen. Das Gelb auf seinen Bildern steht denn auch für das Licht, während das Blau für die Dunkelheit und das Wasser stehen.
Über die Jahrzehnte hat Erwin Gloor all die grossen und kleinen Veränderungen rund um den Rheinfall beobachtet. «Entlang der Ufer sind einige Gebäude entstanden, die mich fast umgebracht haben», gesteht er. Als besonders störend empfindet er zwei riesige Wohnblöcke, die für ihn wie Fremdkörper bis in den Horizont ragen. In einigen seiner Werke hat er diese Gebäude daher schon in den Rheinfall stürzen und an ihm zerschellen lassen. Auch hat er einen Rückgang des Wassers bemerkt. «Dies passiert jedoch so langsam, dass es kaum auffällt.»
Audio-visuelles Erlebnis
Der Rheinfall ist für Gloor nicht allein ein visuelles Erlebnis. Vielmehr hört der Künstler, dessen erste Leidenschaft der Musik und nicht der Malerei gilt, wunderbare Klangrhythmen im Rheinfall. «Es sind sequenzielle Rhythmen, wenn das Wasser in einer Art Schwall zwischen den Felsen durchbricht.» Mittlerweile hat er den Rheinfall so oft gemalt, dass er nur noch selten an seinen Ufern zu finden ist. So sehr haben sich die Eindrücke in sein Gedächtnis gebrannt.
Dass der Rheinfall zum Protagonisten von Gloors Kunst wurde, ist im Grunde dem Zufall geschuldet. Wäre er nicht in Schaffhausen geboren, hätte er vermutlich ein anderes Motiv gewählt. «Der Rheinfall ist halt direkt vor der Haustür», begründet er seine Motivwahl.
Wiederholt hat Gloor bereits einen noch grösseren Wasserfall abgebildet – die Niagarafälle an der amerikanisch-kanadischen Grenze. Auch wenn sein Bruder im nur wenige hundert Kilometer entfernten US-amerikanischen Vermont lebt, so ist die Anreise doch wesentlich weiter als zum Rheinfall. Zudem fehlt dem grossen Wasserfall in Amerika das, was wohl nur der Rheinfall für Erwin Gloor hat. «Die Niagarafälle sind grandios, doch der Rheinfall ist liebenswert und mir ans Herz gewachsen.»
Inken De Wit
Zur Person
Erwin Gloor wurde 1941 in Schaffhausen geboren. Nach einer Dekorateurlehre und einem Grafikvolontariat lebt der seit 1961 freischaffende Künstler mit seiner Familie an der Neustadt in Schaffhausen. Gloor erhielt 1988 den Georg Fischer-Kulturpreis der Stadt Schaffhausen.
Breite 150 Meter
Abfluss Sommer ca. 600 000 Liter/Sek.
Abfluss Winter ca. 250 000 Liter/Sek.
Höhe 23 Meter
Tiefe des Beckens 13 Meter